Frozen Shoulder: Wenn die Schulter einfriert

Frozen Shoulder nennt man ein Phänomen, das vor allem Menschen um die 50 plagt – die Schultersteife. Die Ursachen sind vielfältig, die Schmerzen meist unerträglich und eine Operation manchmal unerlässlich. goliving.de-Leser erzählen, wie sie die Krankheit ohne chirurgischen Eingriff in den Griff bekamen.

Astrid Wittlich (Name geändert) war Mitte vierzig, als ihre linke Schulter anfing, sich gelegentlich mit einem Ziepen bemerkbar zu machen. „Falsch gelegen“, dachte sie zuerst. „Nichts, was man mit Yoga und Krafttraining nicht wegkriegen könnte.“ Weit gefehlt: Aus dem Ziehen wurde innerhalb weniger Wochen ein heftiges Stechen, dann – vor allem nachts im Liegen – ein beständiger, schier unerträglicher Schmerz. 

Gleichzeitig ließ die Beweglichkeit der Schulter rapide nach. Fiel zunächst nur eine kreisende Bewegung schwer, konnte Wittlich ihren Arm schließlich nicht einmal mehr anheben. „Ich konnte keine Tasse aus dem Schrank nehmen, ohne aufzuschreien“, erinnert sich die mittlerweile 51-Jährige an ihr fast zwei Jahre dauerndes Martyrium, das ihr auch psychisch schwer zu schaffen machte: „Ich war mein Leben lang sehr sportlich und Bewegung hat mir immer sehr viel bedeutet. Da war es für mich nur schwer erträglich, dass plötzlich ein Körperteil nicht nur einfach ausfiel, sondern mich in manchen Nächten zum Schmerz-Zombie machte.

Die Frozen Shoulder hat viele Gesichter

Astrid Wittlich hatte, das zeigte sich im Kernspintomogramm, eine klassische „primäre Kapsulitis“. So nennen Mediziner die Frozen Shoulder, wenn es keine erkennbaren äußeren Ursachen für die Erkrankung gibt. Von einer „sekundären Kapsulitis“ spricht man hingegen, wenn andere Störungen die Schultersteife ausgelöst haben. Das können Kalkablagerungen am Gelenk oder Schleimbeutel-Entzündungen sein, Risse in der Rotationsmanschette oder Muskelverkürzungen, um nur einige zu nennen. Sie tritt auch nach Operationen, als Folge einer längeren Ruhestellung der Schulter auf. Oder nach Unfällen und Verletzungen, etwa wenn die Betroffenen danach Bewegungen unbewusst vermeiden, um ihre Schulter zu „schonen“. Die Krankheit selber äußert sich darin, dass das Bindegewebe rund um die Gelenkkapsel derart verklebt und vernarbt, dass es unter extremen Schmerzen zur völligen Bewegungsunfähigkeit kommen kann.

Heilung – mit Therapie und viel Geduld

Kaum ein Körperteil funktioniert so perfekt und gleichzeitig so kompliziert wie unsere Schulter. Und so nimmt es nicht Wunder, dass die Forschung bis heute nicht genau erklären kann, was die primäre Steife eigentlich auslöst. Die Chinesen nennen das Phänomen „Schulter der Fünfzigjährigen“, weil es meist Menschen in dieser Lebensspanne trifft. Die Frozen Shoulder hat einen klar erkennbaren Krankheitsverlauf. In einem Zeitraum von etwa zwei Jahren durchläuft der Patient verschiedene Stufen und Grade der Schmerzhaftigkeit und Steife. In selten Fällen heilt sie nach 18 bis 24 Monaten von alleine aus, doch kaum ein Patient kann die Schmerzen bis dahin ohne ärztliche Behandlung ertragen.

Die klassische „konservative“ Behandlungsweise verläuft in mehreren Schritten: Zunächst wird die Entzündung durch das Spritzen von Steroiden bekämpft, dann die Schmerzen. Gleichzeitig wird mittels Physiotherapie versucht, die Beweglichkeit der Schulter wieder herzustellen. Hilft das alles nicht, empfehlen die meisten Orthopäden als letzten Ausweg eine Operation während der die Schulter unter Narkose „durchbewegt“ wird. Nach anderthalb Jahren vergeblicher Therapieversuche entschied sich Astrid Wittlich für einen anderen Weg.

Akupunktur – Signale an das Nervensystem

In einer Schulter-Tagesklinik halfen Ärzte der Bürokauffrau zunächst, ihre Schmerzen zu bekämpfen. Gleichzeitig versuchte sie es mit traditioneller chinesischer Medizin (TCM). Und tatsächlich: Eine Kombination aus Akupunktur und manueller Therapie gab ihr schließlich die Beweglichkeit zurück. „Wenn es um eine funktionelle Störung geht, dann können wir helfen, und das in jedem Stadium der Krankheit“, bestätigt Dr. Alexander Simon, Akupunkteur und Facharzt aus dem Team des bekannten Münchner Zentrums für TCM, „Hempen & Kollegen“. „Und da wir keine Berührungsängste mit begleitenden Schmerzbehandlungen haben, überweisen auch zunehmend mehr Fachkollegen aus der Schulmedizin ihre Patienten an uns – leider allerdings oftmals erst, wenn diese bereits eine lange Leidensgeschichte hinter sich haben und die Schmerzen chronifiziert sind.“ Akupunktiert wird sowohl lokal an der Schulter als auch an Fernpunkten etwa am Schienbein. Die Behandlung, so Simon, setze Prozesse in Gang, die schmerzlindernd und entzündungshemmend zugleich wirken, aber: „Der Patient muss Geduld mitbringen, das absolute Minimum sind 10 Behandlungen.“

Einen etwas anderen Ansatz verfolgt der Akupunkteur Harry Geurkink, der sehr erfolgreich sowohl in den Niederlanden als auch im westfälischen Emmerich praktiziert. Er setzt im Schnitt 15 Akupunktur-Sitzungen an, gleichzeitig müssen die Patienten nach einem eigens entwickelten Übungsbuch zu Hause täglich trainieren. Der heilende Effekt von Akupunktur auf das vegetative Nervensystem gerade bei Frozen Shoulder sei mittlerweile wissenschaftlich ganz gut nachgewiesen, verweist Geurkink auf jüngste Publikationen des US-National Institut of Health. In den Niederlanden sei Akupunktur ein anerkannter Diplom-Studiengang, die Behandlung werde von den Krankenkassen übernommen. In Deutschland müsse man entweder Arzt sein oder Heilpraktiker. So vielfältig die Ursachen für eine Frozen Shoulder, so vielfältig offenbar die Behandlungsmöglichkeiten. 

Die 46-jährige Hanna Wagner (Name geändert) befand sich auf einer Reise durch China, als ihr ohne Vorwarnung bei einer unbedachten Schulterbewegung der Schmerz derart durch den ganzen Körper schoss, dass sie sich hinsetzen musste und ihr die Tränen in die Augen stiegen. Ein leichtes Ziehen hatte sie vorher hin und wieder gespürt, dem aber keine Bedeutung beigemessen.

American Chiropractic

Ebenso wenig wie zwei Monaten zuvor ihrem Sturz mit dem Motorroller. Der war nicht schwer und – wie es schien – ohne Verletzung abgelaufen. Dass dieser Unfall Schuld sein sollte an ihren Schulterproblemen, darauf brachte sie Richard Kahler, ein US-Amerikaner, der seit 2004 in München Gräfelfing die so genannte „American Chiropractic“ praktiziert. In seiner Heimat, betont Kahler, sei die manuelle Medizin ein eigener Studiengang und seine Kollegen seien als Ärzte anerkannt. Seine Arbeit umschreibt er so: Er sei für die Gelenke, was ein Zahnarzt für die Zähne, er entferne Beläge und behebe Fehlstellungen. Die Grundidee von American Chiropractic ist, dass schon kleinste Verschiebungen oder Mikrotraumen im Knochengerüst und an der Wirbelsäule Auslöser für eine Vielfalt von Symptomen sein können.

Ob Frozen Shoulder oder Migräne, die Therapie ist immer eine grundsätzliche: Ziel ist es, Fehlhaltungen zu korrigieren und die Beweglichkeit der Gelenke wiederherzustellen. 14 Sitzungen über 10 Wochen verteilt seien im Schnitt notwendig. Auch Schrei-Babys habe er so schon erfolgreich behandelt, sagt Kahler. Hanna Wagner empfahl er begleitend eine „neuromuskuläre Behandlungstherapie“ (NBT), eine spezielle Massage-Technik. Die Buchhändlerin ist überzeugt: „Die schnelle Entscheidung für diesen Behandlungsweg hat mir einen langen Leidensweg erspart.“